Die P-Welle ist Ausdruck der Erregungsausbreitung in den Vorhöfen (atriale Depolarisation). Ausgehend vom Sinusknoten, der im hohen rechten Vorhof, nahe der Einmündung der V. cava superior lokalisiert ist, breitet sich die Erregung über den rechten Vorhof aus. Der Summationsvektor ist zunächst nach unten und gering nach rechts gerichtet. Leicht verzögert beginnt die Erregung des linken Vorhofes, der in Relation zum rechten Vorhof links oben liegt. Der Summationsvektor dreht daher im Verlauf der atrialen Aktivierung in diese Richtung. Der erste Anteil der P-Welle stellt somit die Erregung des rechten Vorhofs, der zweite Anteil die des linken Vorhofs dar. Der zeitliche Unterschied in der maximalen Erregung beider Vorhöfe beträgt normalerweise weniger als 40 ms. Diese physiologische Asynchronie der interatrialen Erregung kann zu einer geringen Doppelgipfligkeit der P-Welle führen.
Die Erregungsrückbildung (atriale Repolarisation, Pa-Welle) ist in der Regel nicht sichtbar, da sie im nachfolgenden QRS-Komplex verborgen ist.
Zu den typischen Charakteristika normaler P-Wellen gehören:
Abb.: Normales EKG, 5 konsekutive Aktionen, Ableitungen I bis III. Links am Bildrand befindet sich eine Eichzacke (1 cm = 1 mV). Doppelgipfligkeit der P-Welle in Ableitung II.
Die manuelle Ausmessung der P-Welle (mit Angabe des Messwertes in Sekunden) erfolgt in der Regel in Ableitung II. Bei einer normalen P-Achse sind der Anfang und das Ende der P-Welle hier am besten abgrenzbar. Geringe, von-Schlag-zu-Schlag nachweise Änderungen der Morphologie sind normal. Für die Ausmessung sollte eine Herzaktion ausgewählt werden, die eine für die Registrierung repräsentative P-Welle zeigt. Eine Grund für die Vermessung in den Goldberger-Ableitungen gibt es nicht.
Automatische Vermessung durch das EKG-Gerät: Meistens wird vom frühesten Beginn bis zum spätesten Ende (die ggf. in unterschiedlichen Ableitungen liegen) gemessen. Darüber hinaus wird gemittelt. Somit sind die vom Gerät ausgegebenen Werte meistens verlässlich.
Ableitung V1 spielt bei der erweiterten Vermessung der P-Welle ein Rolle, da sich hier der rechtsatriale (der erste positive) und der
linksatriale Anteil (der zweite negative Anteil) der P-Welle meistens gut trennen lassen. Der negative Anteil der P-Welle in V1 wird im angloamerikanischen Sprachraum
als negative P-wave terminal force
(PTF) bezeichnet. Als Morris-Index ist das Produkt aus dem Betrag der Amplitude (in mV) und der Dauer
dieses negativen Anteils der P-Welle in V1 definiert. Werte <40 sind normal (darüberliegende Werte sprechen für eine atriale Abnormität). Der zweite Anteil der P-Welle kann in V1 isoelektrische verlaufen, in
diesen Fälle erscheint die P-Welle verkürzt. V1 sollte daher grundsätzlich nicht zur Vermessung der Dauer der gesamten P-Welle herangezogen werden.
Anhand der Morphologie der P-Welle in den unterschiedlichen Ableitungen des 12-Kanal-EKGs ist ein Rückschluss auf den zugrundeliegenden Rhythmus bzw. dessen Ursprung möglich.
Bei Sinusrhythmus
Es ergeben sich folgende Besonderheiten der P-Welle, die als physiologisch anzusehen sind:
Es ergibt sich ein relativ breite Palette an Differenzialdiagnosen, die bei Veränderungen der P-Welle in Betracht gezogen werden müssen:
Literatur