P-Welle

Die P-Welle ist Ausdruck der Erregungsausbreitung in den Vorhöfen (atriale Depolarisation). Ausgehend vom Sinusknoten, der im hohen rechten Vorhof, nahe der Einmündung der V. cava superior lokalisiert ist, breitet sich die Erregung über den rechten Vorhof aus. Der Summationsvektor ist zunächst nach unten und gering nach rechts gerichtet. Leicht verzögert beginnt die Erregung des linken Vorhofes, der in Relation zum rechten Vorhof links oben liegt. Der Summationsvektor dreht daher im Verlauf der atrialen Aktivierung in diese Richtung. Der erste Anteil der P-Welle stellt somit die Erregung des rechten Vorhofs, der zweite Anteil die des linken Vorhofs dar. Der zeitliche Unterschied in der maximalen Erregung beider Vorhöfe beträgt normalerweise weniger als 40 ms. Diese physiologische Asynchronie der interatrialen Erregung kann zu einer geringen Doppelgipfligkeit der P-Welle führen. 

 

Die Erregungsrückbildung (atriale Repolarisation, Pa-Welle) ist in der Regel nicht sichtbar, da sie im nachfolgenden QRS-Komplex verborgen ist. 

EKG

Zu den typischen Charakteristika normaler P-Wellen gehören:

  • Dauer: <120 ms
  • Abstand zwischen den Gipfeln bei physiologischer Doppelgipfligkeit <40 ms
  • Amplitude in den Extremitätenableitungen: <0,25 mV, in den Brustwandableitungen <0,15 mV. Sie nimmt mit zunehmendem Lebensalter ab. 
  • P-Achse in den Extremitätenableitungen: 0° - +75° 
EKG P-Welle

Abb.: Normales EKG, 5 konsekutive Aktionen, Ableitungen I bis III. Links am Bildrand befindet sich eine Eichzacke (1 cm = 1 mV). Doppelgipfligkeit der P-Welle in Ableitung II. 

 

Die manuelle Ausmessung der P-Welle (mit Angabe des Messwertes in Sekunden) erfolgt in der Regel in Ableitung II. Bei einer normalen P-Achse sind der Anfang und das Ende der P-Welle hier am besten abgrenzbar. Geringe, von-Schlag-zu-Schlag nachweise Änderungen der Morphologie sind normal. Für die Ausmessung sollte eine Herzaktion ausgewählt werden, die eine für die Registrierung repräsentative P-Welle zeigt. Eine Grund für die Vermessung in den Goldberger-Ableitungen gibt es nicht. 

 

Automatische Vermessung durch das EKG-Gerät: Meistens wird vom frühesten Beginn bis zum spätesten Ende (die ggf. in unterschiedlichen Ableitungen liegen) gemessen. Darüber hinaus wird gemittelt. Somit sind die vom Gerät ausgegebenen Werte meistens verlässlich.

 

Ableitung V1 spielt bei der erweiterten Vermessung der P-Welle ein Rolle, da sich hier der rechtsatriale (der erste positive) und der linksatriale Anteil (der zweite negative Anteil) der P-Welle meistens gut trennen lassen. Der negative Anteil der P-Welle in V1 wird im angloamerikanischen Sprachraum als negative P-wave terminal force (PTF) bezeichnet. Als Morris-Index ist das Produkt aus dem Betrag der Amplitude (in mV) und der Dauer dieses negativen Anteils der P-Welle in V1 definiert. Werte <40  sind normal (darüberliegende Werte sprechen für eine atriale Abnormität). Der zweite Anteil der P-Welle kann in V1 isoelektrische verlaufen, in diesen Fälle erscheint die P-Welle verkürzt. V1 sollte daher grundsätzlich nicht zur Vermessung der Dauer der gesamten P-Welle herangezogen werden.  

P-Wellenmorphologie bei Sinusrhythmus

Anhand der Morphologie der P-Welle in den unterschiedlichen Ableitungen des 12-Kanal-EKGs  ist ein Rückschluss auf den zugrundeliegenden Rhythmus bzw. dessen Ursprung möglich. 

 

Bei Sinusrhythmus

  • ist P in Ableitung  I und II immer positiv und in aVR negativ, 
  • kann P in Ableitung III positiv, biphasisch oder negativ sein,
  • ist der zweite Anteil von P in V1 oft negativ (entsprechend der von V1 weg gerichteten linksatrialen Erregungsausbreitung) und positiv in V2/V3 bis V6 und
  • es liegt ein Summationsvektor von ca. 50° - 70° vor.

Physiologische Besonderheiten der P-Welle

Es ergeben sich folgende Besonderheiten der P-Welle, die als physiologisch anzusehen sind:

  • Eine Sinustachykardie und erhöhter Sympathikotonus führen zu einer Zunahme der Amplitude der P-Welle zu und einer Abnahme der Dauer von P.
  • Ein erhöhter Vagotonus und eine Bradykardie führen zu einer Abnahme der Amplitude von P.
  • Aufsplitterungen oder eine Doppelgipfligkeit (<40 ms) sind normal. 
  • Überlagerung von P- und T-Welle: Bei hohen Herzfrequenzen kann sich die P-Welle mit der vorausgehenden T-Welle überlagern. Fällt sie genau zum Zeitpunkt des Maximums der T-Welle ein, erscheint die T-Welle überhöht, ohne dass eine eigentliche P-Welle abgrenzbar ist. In diesen Fällen sollten weiterer Herzaktionen inspiziert werden - oft ist dieses Phänomen nicht konstant und die P-Welle lässt sich dann bei einzelnen Aktionen doch abgrenzen.

Differenzialdiagnose der P-Welle

Es ergibt sich ein relativ breite Palette an Differenzialdiagnosen, die bei Veränderungen der P-Welle in Betracht gezogen werden müssen:  

Literatur