Bei der Ischämie- und Infarktdiagnostik kommt dem EKG eine maßgebliche Rolle zu. Nach experimenteller Koronarokklusion oder auch nach Inflation eines Ballons in einer Koronararterie (z.B. in Zusammenhang mit einer koronaren Intervention) dauert es nur wenige Sekunden (!), bis erste EKG-Veränderungen auftreten. Kein anderes Verfahren erlaubt eine so rasche Diagnosestellung.
Infarktentwicklung nach kompletter Koronaraokklusion
Zu einer Ischämie kommt es bei einer Minderdurchblutung oder einem gänzlichen Verlust der arteriellen Durchblutung eines Gewebes. Bei einer Ischämie, die auf einem erhöhten Blutbedarf (z. B. unter Belastung) basiert oder in Folge einer hämodynamisch bedeutsamen Stenose einer Koronararterie auftritt, findet sich die Minderdurchblutung subendokardial.
Bei einer kompletten Unterbrechung der Durchblutung (z. B. in Zusammenhang mit einem akuten Koronararterienverschluss) ist die Ischämie transmural. Es resultiert zunächst eine noch reversible Myozytenschädigung, nach etwa 15 - 20 Minuten kommt es zu einer irreversible Gewebeschädigung, d. h. einem Infarkt. Er beginnt auch subendokardial und schreitet dann nach epikardial hin fort. Nach experimenteller vollständiger Koronarokklusion dauert es ca. 24 Stunden bis sich der Infarkt vollständig ausgebildet hat. Die Infarktentstehung folgt einem exponentiellen Zeitverlauf. Nach 6 - 8 Stunden erreicht die Infarktgröße bereits 80 - 90 % der endgültigen Ausdehnung. Der Zeitverlauf ist variabel.
Infarktzeichen im EKG
Bei der elektrokardiographischen Infarktdiagnostik stehen zunächst Ischämiezeichen (ST-Steckenverändungen) im Vordergrund. Parallel hierzu entwickeln sich im Verlauf von Stunden Nekrosezeichen (z. B. Q-Zacken oder eine R-Zackenreduktion) und im Verlauf von Wochen die Zeichen des durchgemachten vernarbten Myokardinfarktes (verbleibende Nekrosezeichen mit Normalisierung des übrigen EKGs). Etwa 70 - 80 % der Myokardinfarkte sind im EKG erkennbar.
Akutes Koronarsyndrom
Unter dem Begriff akutes Koronarsyndrom (engl. acute coronary syndrome, ACS) werden zusammengefasst:
Die leichteren Formen des akuten Koronarsyndroms, die instabile Angina Pectoris und der Nicht-ST-Strecken-Hebungs-Infarkt (NSTEMI), werden auch unter dem Begriff NSTE-ACS (akuter Brustschmerz ohne persistierende ST-Strecken-Erhöhung) zusammengefasst.
Universale Definition des Myokardinfarktes (Infarktvarianten)
Der Begriff „akuter Myokardinfarkt“ sollte dann verwendet werden, wenn es im Zusammenhang mit klinischen Beschwerden Hinweise auf eine Myokardnekrose ergeben. Die kardiologischen Fachgesellschaften haben sich in den letzten Jahren um eine Präzisierung der Definition des Myokardinfarktes bemüht (ESC Pocket Guidelines: 3. Allgemeine Definition des Myokardinfarktes). Die Abgrenzung unterschiedlicher Infarkt-Entitäten soll der Vielfalt der klinischen Manifestation von Myokardinfarkten gerecht werden und die Abgrenzung eines regelrechten Myokardinfarktes von einem reinen (eher unspezifischen) Myokardschaden erleichtern. Wie bereits ausgeführt, muss ein Myokardinfarkt nicht zwangsläufig mit einer ST-Streckenhebung einhergehen.
Myokardinfarkt Typ 1: Spontaner Myokardinfarkt durch Ruptur, Ulzeration, Einriss, Erosion oder Dissektion einer atherosklerotischen Plaque mit Ausbildung eines intraluminalen Thrombus in einer oder mehreren Koronararterie/n, konsekutiv vermindertem myokardialen Blutfluss oder distaler Plättchenembolisation und darauf folgender Myokardnekrose.
Myokardinfarkt Typ 2: Myokardinfarkt hervorgerufen durch einen Myokardschaden mit Nekrose, bei dem ein von einer koronaren Herzerkrankung unabhängiger Zustand zu einem Missverhältnis von myokardialem Sauerstoffangebot und -bedarf führt (z. B. endotheliale Dysfunktion, Koronararterienspasmus, Koronarembolie, Tachy-/ Brady-Syndrom, Anämie, respiratorische Insuffizienz, Hypotonie und Hypertonie).
Myokardinfarkt Typ 3: Herztod mit vorangegangenen Symptomen, die auf eine Myokardischämie hindeuten, gemeinsam mit mutmaßlich neu aufgetretenen Ischämie-bedingten EKG-Veränderungen oder neu aufgetretenem Linksschenkelblock, jedoch mit Todeseintritt bevor eine Blutentnahme erfolgen, die Konzentration kardialer Biomarker ansteigen konnte oder – in seltenen Fällen – die Konzentration der kardialen Biomarker nicht bestimmt wurde.
Myokardinfarkt Typ 4a: Akuter Myokardinfarkt im Zusammenhang mit einer perkutanen Koronarintervention (PCI); dieser ist willkürlich definiert durch einen Anstieg der cTn-Konzentrationen um das mehr als 5-fache der 99. Perzentile (oberer Grenzwert) bei Patienten mit normalen cTn-Ausgangskonzentrationen oder einen Anstieg der cTn-Konzentrationen > 20 %, wenn die cTn-Ausgangskonzentrationen zwar erhöht, zuvor aber gleichbleibend oder fallend waren. Zusätzlich sind für die Diagnose entweder
Myokardinfarkt Typ 4b: Myokardinfarkt im Zusammenhang mit einer angiographisch oder autoptisch gesicherten Stentthrombose, die eine Myokardischämie hervorruft und mit einem Anstieg und/oder Abfall der Konzentration eines kardialen Biomarkers mit mindestens einem Wert oberhalb des 99. Perzentils (oberer Grenzwert) einhergeht.
Myokardinfarkt Typ 5: Myokardinfarkt im Zusammenhang mit einer krornaren Bypassoperation; dieser ist willkürlich definiert durch einen Anstieg der Konzentrationen von kardialen Biomarkern um mehr als das 10-facher der 99. Perzentil (oberer Grenzwert) bei Patienten mit normalen cTn- Ausgangskonzentrationen. Zusätzlich sind für die Diagnose entweder
Weiterführende Literatur (frei zugänglich im Internet)