Weitere Medikamenteneffekte

Zu den Medikamenten, die die kardiale Elektrophysiologie beeinflussen gehören nicht nur Medikamente mit kardialer Indikation. Das Problem bei Medikamenten mit nicht-kardialer Indikation, die das Herz beeinflussen können, ist, dass diese Nebeneffekte meistens unerwünscht und vor allem nicht bekannt sind. Wenn abnorme EKG-Befunde auffallen, gilt es bei Patienten unter einer Pharmakotherapie immer zu prüfen, ob einzelne oder gar mehrere Medikamente als ursächlich für den beobachteten Effekt in Frage kommen. Praktisch besonders wichtig sind neben den Effekten auf das QT/QTc-Intervall, die separat besprochen werden, 

  • medikamentös-bedingte Bradykardien
  • medikamentös-bedingte Erregungsleitungsstörungen
  • medikamentös-bedingte Erregungsrückbildungsstörungen.

Medikamentös-bedingte  Bradykardien

Zahlreiche Medikamente können zu einer Abnahme der Herzfrequenz führen. Hohe Dosen bzw. eine Überdosierung begünstigen dieses, sie stellen aber keinesfalls eine Voraussetzung für medikamentenbedingte Bradykardien dar. Beim Patienten latent vorhandene Störungen der Sinusknotenfunktion begünstigen das Auftreten von Bradykardien. Die Bradykardie-vermittelnden Mechanismen sind unterschiedlich. Meistens liegt eine Beeinflussung kardialer Innenkanäle z. B. Antiarrhythmika) oder eine Beeinflussung des Tonus des autonomen Nervensystems (sympathikolytische Effekte, vagale Aktivierung) zu Grunde.

 

Medikamente; die eine Bradykardie bewirken können.

  • Beta-Rezeptorenblocker
  • Calcium-Antagonisten
  • Amiodaron, Sotalol
  • Digitalis
  • Clonidin
  • Fingolimod
  • u. a.  

Medikamentös-bedingte Erregungsleitungsstörungen

Medikamente können sowohl AV-Leitungsstörungen bzw. - Blockierungen als auch intraventrikuläre Blockierungen hervorrufen.

  • AV-Leitungsstörungen: Beta-Rezeptorenblocker, Calcium-Antagonisten, Amiodaron, Dronedaron, Fingolimod, Lacosamide, Caramazepin, Fingolimod (u. a.).
  • Intraventrikuläre Leitungsstörungen: Amiodaron, Dronedaron, Lacosamid, Carbamazepin (u. a.).

Nicht immer sind überhöhte Arzneimittelkonzentrationen Voraussetzung für das Auftreten solcher Leitungsstörungen. Liegt eine Vorschädigung des Leitungssystems beim Patienten vor, können schon relativ geringe Konzentrationen zu einer bedeutsamen Aggravation der Leitungsstörungen führen.

EKG

Vorbote einer höhergradigen AV-Blockierung unter Pharmakotherapie ist eine Verlängerung der PQ-Intervall-Dauer. Werden Medikamente, von denen bekannt ist, dass sie zu einer Leitungsverzögerung führen können, bei Patienten mit vorhersehbaren Störungen verabreicht, sollte vor Therapiebeginn und im Verlauf ein EKG geschrieben werden. Bei Therapie mit leitungsverzögernd wirkenden Antiarrhythmika (Flecainid, Propafenon, Amiodaron) sollte die Verlängerung der QRS-Dauer unter Therapie nicht mehr als 15 - 20 % betragen. Fingolimod wird bei Multipler Sklerose eingesetzt. Bei Therapieeinleitung kommt es bei ca. 1 % der Patienten zu einem AV-Block II. Grades vom Typ Wenckebach. Dieser Effekt ist aber nur nach der ersten Gabe zu beobachten.

Erregungsrückbildungsstörungen durch Digitalis (Digoxin, Digitoxin)

Der therapeutische Stellenwert von Digitalis (Digoxin, Digitoxin) hat in letzten Jahren weiter abgenommen. Bei der Behandlung atrialer Tachyarrhythmien kann es in Kombination mit einem Beta-Blocker oder einem Kalziumantagonisten vom Typ Verapamil  eingesetzt werden. Bei paroxysmalem Vorhofflimmern sollten Digitalispräparate möglichst vermieden werden, da hierunter die Häufigkeit von Arrhythmieepisoden zunehmen kann. In Deutschland wird bevorzugt Digitoxin eingesetzt.

EKG

Bei Therapie mit Digitalis finden sich im EKG typischerweise muldenförmige ST-Streckensenkungen. Das Ausmaß der Veränderungen korreliert grob mit dem Digitalis-Serumspiegel. In höheren Dosierungen kommt es zu einer Verlängerung des PQ-Intervalls.

EKG Digitalis

Abb.: 72-jährige Patientin, die wegen rezidivierender atrialer Tachykardien (nach mehrfacher Katheterablation von Vorhofflimmern) mit Digitoxin und Verapamil behandelt wurde. Die mudlenförmigen ST-Streckenveränderungen sind ein typischer Digitaliseffekt. Die QT/QTc-verlängerung ist Folge einer Behandlung mit Amiodaron. 

Abb.: Dieselbe 72-jährige Patientin wie oben. Amiodaron wurde zwischenzeitlich abgesetzt, die QT/QTc-Intervalldauer hat sich normalisiert. Geblieben ist der typische Digitalis-Effekt (mudlenförmige ST-Streckenveränderungen). 

Digitalis-assoziierte Arrhythmien

Das Spektrum an Herzrhythmusstörungen, die durch Digitalis bedingt bzw. begünstigt werden können, ist breit. Hierzu gehören Sinusbradykardien, atrioventrikuläre Leitungsstörungen bis hin zu einem AV-Block III. Grades, atriale Tachykardien und Kammertachykardien (auch bidirektionale Kammertachykardien).

Literatur