Das Brugada-Syndrom ist ein familiäres Arrhythmiesyndrom, das in ausführlicher Form erstmals Anfang der 1990er Jahre beschrieben wurde. Es ist durch
Wie beim Langen QT-Syndrom kommt es zu Synkopen, noch häufiger tritt aber bereits als klinische
Erstmanifestation ein plötzlicher Herztod auf. Nur bei einem typischen EKG-Befund (siehe unten) und der passenden Klinik sollte von einem Brugada-Syndrom gesprochen werden.
Hinsichtlich der Häufigkeit der Erkrankung ergeben sich ausgeprägte regionale Unterschiede. In manchen asiatischen Regionen (Thailand, Laos) scheint das Syndrom für bis zu 4–10 plötzliche
Todesfälle pro 10.000 Einwohner pro Jahr verantwortlich zu sein.
Im EKG findet sich eine ST-Hebung in den rechtspräkordialen Ableitungen (V1 – V2/3). Diagnostisch ist die nach oben konvexe ST-Hebung
(EKG-Typ 1), in anderen Fällen bzw. oft auch beim selben Patienten zu anderen Zeitpunkten, findet sich (lediglich) eine so genannte sattelförmige ST-Hebung (EKG-Typ
2). Ein spontanes Typ 2-EKG ist nur diagnostisch verwertbar, wenn es sich durch Provokation (Ajmalin i.v., siehe unten) in ein Typ 1-EKG umwandeln lässt. Die Spezifität des EKGs kann
durch Platzierung von V1 und V2 in höheren Interkostalräumen (Hohe Brustwandableitungen) gesteigert werden.
Die QRS-Morphologie ähnelt einem Rechtsschenkelblock. Manche Patienten zeigen sowohl ein Brugada-typisches EKG als auch eine QT-Verlängerung (in Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Genmutation).
Die spontane Variabilität der EKG-Veränderungen ist ausgesprochen hoch. Manche Patienten entwickeln ein Brugada-typisches EKG erst bei Fieber oder nach einer ausgedehnten Mahlzeit ("full stomach test"). Auch eine Verlängerung des PQ-Intervalls kann vorliegen (bevorzugt bei Patienten mit einer Mutation im SCN5A-Gen).
Abb.: Brugada-EKG-Muster: Bei einem Typ 1-EKG (links) findet sich eine leicht nach oben konvexe ST-Streckenhebung (mind. 0,2 mV, "coved" type) und eine negative T-Welle; bei einem Typ 2-EKG ist die ST-Hebung sattelförmig (mind. 2 mV, "saddleback" type); bei einem Typ 3-EKG ist nur der J-Punkt um 0,2 mV erhöht, die ST-Hebung beträgt weniger als 1 mV. Das Typ 3-EKG scheint eine Variante des Typ 2-EKGs darzustellen. Beide Formen wurden daher kürzlich aus als Typ 2 zusammengefasst. Die Diagnose Brugada-Syndrom ist nur mit einem Typ 1-EKG vereinbar - sei es, dass er spontan nachweisbar ist oder durch Ajmalin oder Flecainid provoziert werden kann.
Abb.: Brugada-Syndrom in Ruhe. 12-Kanal-EKG. 30-jähriger Patient asiatischen Ursprungs, bislang asymptomatisch. Typische ST-Hebungen in V1 und V2 (Type 1-EKG, coved type). Sattelförmige ST-Hebung in V3. Keine plötzlichen Todesfälle in der Familienanamnese.
Abb.: 50-jähriger Patient mit Brugada-Syndrom. Zum Zeitpunkt der EKG-Registrierung lediglich Nachweis eines Typ 2-Brugada-EKGs: sattelförmige ST-Hebung in V2. Nur angedeutete ST-Hebung in V1. Der interne Befundungsalgorithmus (Kasten) des EKG-Gerätes ist hier überfordert. Es wird der Verdacht auf einen akuten Infarkt erhoben.
Durch intravenöse Injektion von Ajmalin (1 mg/kg Körpergewicht langsam intravenös gegeben, über ca. 10 Min.) lassen sich die typischen EKG-Veränderungen bei von der Krankheit betroffenen Personen provozieren. Alternativ kann Flecainid (2 mg/kg) eingesetzt werden. Der Ajmalin-Test sollte bei allen Patienten durchgeführt werden, die einen plötzlichen Herztod überlebt haben, und bei denen die weiterführende Diagnostik keinen Hinweis auf eine zugrunde liegende Herzerkrankung gibt (sog. idiopathisches Kammerflimmern). Der Ajmalin-Test ist bei Betroffenen Bestandteil der Abklärung von Familienangehörigen 1. Grades. V1 und V2 können im 4. oder im 3. oder 2. ICD platziert werden. Die Sensitivität ist bei Platzierung in höheren ICRs größer - möglicherweise lässt aber die Spezifität nach.
Abb.: Ajmalin-Test bei Verdacht auf Vorliegen eines Brugada-Syndroms. 27-jähriger männlicher Patienten mit rezidivierenden Synkopen.
Links: Normales EKG ohne Veränderungen, die auf ein Brugada-Syndrom hinweisen.
Rechts: Nach Ajmalin (80 mg intravenös) Manifestation der typischen EKG-Veränderungen in den Ableitungen V1 und V2.
Als Alternative zu Ajmalin kann auch Flecainid gegeben werden. Entweder i.v. (2 mg/kg, max 150 mg) oder 200 - 300 mg oral. Bei oraler Gabe bedarf es bei einem positiven Test einer stationären Überwachung.
Der Einfluss körperlicher Belastung auf das EKG bei Brugada-Syndrom ist variabel. Sowohl das Verschwinden als auch eine Zunahme der typischen ST-Hebung, zum Teil auch eine Akzentuierung der ST-Veränderungen in der Nachbelastungsphase, wurden berichtet. Die nachfolgende Abbildung zeigt ein Beispiel für die Manifestation eines Typ 1-EKGs unter Belastung (allerdings bei Behandlung mit einem Natriumblocker). Das Belastungs-EKG spielt daher bei der Diagnostik des Brugada-Syndroms (und auch bei der Risikostratifizierung) keine wesentliche Rolle. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass 80 % der klinischen Ereignisse (Synkopen, plötzliche Todesfälle) in Ruhe auftreten.
Abb.: Auftreten Brugada-typischer EKG-Veränderungen (Typ 1-EKG in Ableitung V2) unter Belastung (links: vor Belastung; rechts: unter Belastung). Die Untersuchung wurde während Behandlung mit Lamotrigin durchgeführt (Indikation waren epileptische Anfälle). Die Substanz hat Natriumkanal-blockierende Wirkung, so dass durchaus denkbar ist, dass die Manifestation der Brugada-typischen EKG-Veränderungen hierdurch beeinflusst wurde. Eine Liste der Medikamente, die ein Brugada-EKG induzieren können, findet sich im Internet (siehe Links).
Zu den auftretenden malignen Arrhythmien gehören polymorphe Kammertachykardien und Kammerflimmern (siehe unten). Auch andere tachykarde Rhythmusstörungen treten bei Brugada-Syndrom gehäuft auf (atriale Tachykardien, paroxysmale supraventrikuläre Tachykardien, Vorhofflimmern).
Abb.: Langzeit-EKG eines Patienten mit Brugada-Syndrom. Zunächst Sinusrhythmus und Auftreten der Brugada-typischen EKG-Veränderungen. In diesem Zusammenhang kommt es zu einer spontan terminierenden polymorphen Kammertachykardie.
Ähnliche EKG-Veränderungen wie bei einem Brugada-Syndrom finden sich bei einem kompletten Rechtsschenkelblock, bei bedeutsamer Hypothermie, bei arrhythmogener rechtsventrikulärer Erkrankung, bei Trichterbrust und gelegentlich auch bei einem akuten Myokardinfarkt (bei Verschluss des Ramus interventrikularis anterior oder der aus der rechten Herzkranzarterie entspringenden Konusarterie).
Die oben beschriebenen EKG-Veränderungen sind pathognomonisch. Darüber hinaus spielt das EKG bei der Risikostratifizierung eine wichtige Rolle. Bereits erwähnt wurde die ausgeprägte Variabilität des EKG-Befundes, die Anlass zu einer im Verlauf wiederholten Registrierung geben sollte. Bei Kindern erfolgt die elektrokardiographische Manifestation nicht selten erst im jungen Erwachsenenalter, so dass ein negativer EKG-Befund in jungen Jahren das Vorhandensein der Erkrankung nicht ausschließt. Das gilt auch für einen negativen Ajmalintest, der später durchaus positiv sein kann.
Literatur (frei zugänglich im Internet)
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